Erstellt am: 20.07.2023
VILLINGEN-SCHWENNIGEN – Die Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie (M+E) in der Region Schwarzwald-Baar-Heuberg erwarten ein schwieriges zweites Halbjahr. „Aufgrund geopolitischer Risiken und massiv gestiegener Finanzierungskosten befindet sich die Weltwirtschaft in schwierigem Fahrwasser, was unsere stark exportorientierte M+E-Industrie derzeit besonders hart trifft“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Bezirksgruppe Schwarzwald-Hegau des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, Dr. Jens von Lackum, am Donnerstag beim Sommerfest des Verbands in Villingen-Schwenningen. „Die Auftragseingänge sind deutlich rückläufig. Die schrumpfenden Auftragsbestände werden die M+E-Produktion im weiteren Jahresverlauf zunehmend dämpfen.“
Bild: Dr. Jens von Lackum, Vorstandsvorsitzender Aesculap AGBildquelle: SüdwestmetallAlle Rechte für Print, Internet und Social Media frei.
Gleichzeitig belaste die anhaltend hohe Inflation die Verbraucherstimmung im Inland und sorge für Konsumzurückhaltung, so von Lackum: „Das ist eine schwierige Gemengelage für die M+E-Unternehmen, die zudem durch die hohen Energiepreise international weiter an Wettbewerbsfähigkeit einbüßen.“ Die Preise für Gas und Strom bewegten sich immer noch auf einem vielfach höheren Niveau als vor Beginn der Energiekrise. „Deshalb haben wir die jüngsten Vorschläge von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck für einen Industriestrompreis im Prinzip begrüßt“, erklärte er. Der Industriestrompreis solle zur Überbrückung dienen, bis ausreichend Strom aus erneuerbaren Energien zu wettbewerbsfähigen Preisen zur Verfügung stehe.
Mit Blick auf die Energiewende machte der stellvertretende Bezirksgruppen-Vorsitzende deutlich, dass dafür auch das Stromnetz massiv erweitert und leistungsfähiger gemacht werden müsse. „Dazu müssen endlich die großen Stromtrassen von den norddeutschen Küsten in den Süden fertig gebaut und die lokalen Niederspannungsnetze um- und ausgebaut werden“, erklärte von Lackum. Zudem müsse das Netz intelligent gemacht werden, damit es die Steuerung des Stroms künftig selbst übernehmen könne. „Denn die meisten erneuerbaren Energien sind nicht grundlastfähig, produzieren Strom also unregelmäßig, je nach Jahres- und Tageszeit und den Launen des Wetters. Ein intelligentes Netz, ein Smart Grid, stimmt Erzeugung, Verbrauch und Speicherung exakt ab und gleicht Schwankungen ideal aus, um eine Überlastung des Stromnetzes zu vermeiden“, erläuterte er.
In der Realität sei das Netz in Deutschland aber noch lange nicht smart, machte der Arbeitgebervertreter deutlich: „Es fehlt sowohl an smarten Geräten als auch am Smart Meter, einem intelligenten Stromzähler, der über mögliche Einspareffekte und dynamische Stromtarife informiert.“ In England, den Niederlanden und Italien sei dies längst üblich. „Deutschland sucht seit 15 Jahren erfolglos nach einem Weg, eine solche Infrastruktur zu entwickeln. Aber die entsprechende Richtlinie des Bundesamts für Sicherheit kann kein Hersteller der Welt umsetzen“, sagte er.
Statt schneller Digitalisierung gebe es nur immer mehr Regulierung, Berichtspflichten und fehlende Planungssicherheit für Unternehmen, bemängelte von Lackum: „Die Lösung, mehr Markt als Staat, scheint zu wenig populär, als dass sich die Bundesregierung darauf verständigen könnte.“